BGH: Werbung mit Klimaneutralität zulässig, aber erklärungsbedürftig

08.07.2024

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zur Werbung mit umweltbezogenen Aussagen Stellung genommen und die Anforderungen am Beispiel des Begriffs der Klimaneutralität konkretisiert. Danach ist eine solche Werbung grundsätzlich zulässig. Die Grundlage der Aussage muss jedoch in der Werbung unmittelbar offengelegt werden. D.h. es ist klarzustellen, ob die Aussage auf der Reduktion von CO2-Emissionen oder deren Kompensation beruht. Inzwischen liegen die Entscheidungsgründe des Urteils vor und geben weitere Hinweise für Werbende, wie zukünftig mit umweltbezogener Werbung umzugehen ist (Urteil vom 27. Juni 2024, Az.: I ZR 98/23).

Die Entscheidung geht auf die Werbung eines Süßwarenproduzenten zurück. Diese war von der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs auf Unterlassung in Anspruch genommen worden, weil sie Fruchtgummi- und Lakritz-Produkte mit folgender Werbung versehen hatte:

„Seit 2021 produziert [die Beklagte] alle Produkte klimaneutral“.

Zudem nutzten die Produkte ein Logo, das ebenfalls den Begriff „klimaneutral“ zeigt und auf die Internetseite eines „ClimatePartner“ hinweist. Unstrittig ist, dass der Herstellungsprozess der Produkte nicht CO2-neutral abläuft. Der Süßwarenproduzent unterstützt über den ausgewiesenen „ClimatePartner“ allerdings Klimaschutzprojekte.

Klimaneutral = mehrdeutige umweltbezogenen Aussage

Während die Vorinstanzen die Werbung als zulässig bewertet hatten, geht der BGH von einer Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG aus. Die Bewerbung eines Produktes mit „klimaneutral“ ist nach Auffassung der Richter grundsätzlich mehrdeutig, denn der Begriff kann sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer Kompensation von CO2 verstanden werden kann. Anders als die Vorinstanz vertraten die BGH-Richter jedoch die Auffassung, dass klargestellt werden muss, worauf die Werbung konkret basiert. Im Bereich der umweltbezogenen Werbung sieht der BGH zudem wie bei der gesundheitsbezogenen Werbung eine besonders große Irreführungsgefahr. Aus diesem Grund besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über die Bedeutung und den Inhalt der Aussage. Aus diesem Grund muss bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche Bedeutung maßgeblich ist. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung sind insoweit nicht ausreichend.

Reduktion oder Kompensation von CO2-Emissionen?

Eine Erläuterung des Begriffs „klimaneutral“ wurde insbesondere deshalb für erforderlich gehalten, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellen, sondern die Reduktion gegenüber der Kompensation unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig ist. Aufgrund dieser Abstufung müssen die beteiligten Verkehrskreise erkennen können, auf welcher Fallkonstellation die Werbeaussage beruht. Die Irreführung ist nach Auffassung der BGH-Richter wettbewerblich zudem erheblich, da die Bewerbung eines Produkts mit Klimaneutralität für die Kaufentscheidung von Verbrauchern von erheblicher Bedeutung ist.

Diesen Anforderungen konnte die Werbung aber nicht gerecht werden. Der Hinweis auf den Kooperationspartner „ClimatePartner“ reicht als solcher nicht aus, da dadurch nicht klar ersichtlich ist, ob es sich um einen Fall von Reduktion oder Kompensation handelt. Ein Aufsuchen der Website des Kooperationspartners hätte hierzu zwar weitere Erkenntnisse gebracht. Genau dies genügt nach der Bewertung des BGH aber nicht und kann von den relevanten Verkehrskreisen auch nicht verlangt werden. Vielmehr müsse sich die Aufklärung unmittelbar aus der Werbung selbst ergeben.

Art des aufklärenden Hinweises einzelfallabhängig

Der BGH betont, dass bei den erklärenden Angaben eine Entscheidung im Einzelfall notwendig ist. Relevant ist, um was für ein Produkt es sich handelt und wie Grad und Ausmaß der Umweltfreundlichkeit ausfallen. Zudem müsse die erklärende Angabe deutlich herausgestellt werden, was wiederum von der Art des Produktes, der Werbung und zudem der Möglichkeit der Aufklärung abhängig sein wird. Hier dürften jedoch die für gesundheitsbezogene Werbung ergangene Rechtsprechung eine belastbare Bewerbungsgrundlage bieten.

Mit der Entscheidung hat der BGH endlich Klarheit geschaffen, dass die Werbung mit umweltbezogenen Begriffen auf der Basis des deutschen Wettbewerbsrechts grundsätzlich zulässig sein kann – wenn man bestimmte Vorgaben beachtet. Die konkrete Umsetzung Grundsätze wird zweifelsohne die Instanzgerichte beschäftigen, zumal die für die Klimaneutralität aufgestellten Erwägungen auch für andere umweltbezogenen Begriffe, wie z.B. umweltfreundlich, umweltverträglich oder umweltschonend zu beachten sind. Mit der anstehenden Umsetzung der Greenwashing-Richtlinie in deutsches Recht wird sich der Handlungsspielraum der Werbenden indes weiter verringern (vgl. unseren News-Beitrag hierzu).