Geographische Herkunftsangaben: BGH entscheidet zu „Schwarzwälder Schinken“

23.02.2021

Der BGH hat entschieden, dass der als geschützte geographische Angabe (g.g.A.) geschützte Schwarzwälder Schinken auch außerhalb des Schwarzwaldes geschnitten und verpackt werden darf, ohne dass hierdurch das Recht zur Verwendung des entsprechenden Siegels verloren geht (Urteil vom 3.09.2020, Az.: I ZB 72/19).

Der langjährige Rechtsstreit begann schon im Jahr 2005, als die für den Schwarzwälder Schinken zuständige Erzeugergemeinschaft das Produkt umfangreicher schützten wollte. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach geschnittenen Varianten des Schwarzwälder Schinkens beantragte die Erzeugergemeinschaft eine Modifikation der sog. Spezifikation für die Verwendung der geschützten geographischen Angabe (g.g.A.). Danach sollte auch das Schneiden und die Verpackung des Schinkens zwingend in der Schwarzwaldregion stattfinden. Verschiedene Hersteller erhoben dagegen Einwände, u.a. ein Produzent, der den Schinken in Niedersachsen schneiden und verpacken wollte. Die Änderung hätte ihm die weitere Verwendung der geschützten geographischen Angabe unmöglich gemacht.

Änderung der Modifikation führte zu Rechtsstreit

Seitdem hat die Angelegenheit die Gerichte über mehrere Instanzen beschäftigt. Im Jahr 2017 hat das Bundespatentgericht (BPatG) dem Europäischen Gerichtshof einige Fragenstellungen (EuGH) vorgelegt. In seinem Urteil vom 19.12.2018 (Az.: C-367/17) führte der EuGH aus, dass der Schwarzwälder Schinken nur dann innerhalb des Schwarzwaldes geschnitten und verpackt werden muss, wenn dies eine für die Qualitätssicherung notwendige und angemessene Vorgabe ist. Auf der Grundlage dieser Einschätzung bewertete das BPatG nur zwei Voraussetzungen im Rahmen der Verarbeitung des Schinkens als zwingend: (i) die Dicke der Scheiben darf max. 1,3 mm betragen und (ii) die zwischenzeitliche Desinfektion der Schneidemaschine. Die Richter des BPatG vertraten die Auffassung, dass beides außerhalb des Schwarzwaldes durchgeführt werden kann, ohne dass Qualität und Qualitätsprüfung hierunter leiden müssen. Auf diese Weise erteilte das Gericht der Verschärfung der Modifikation für die Verwendung des Labels „Schwarzwälder Schinken“ eine Absage.

Die Erzeugergemeinschaft für den Schwarzwälder Schinken legte gegen diese Entscheidung Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ein – dies jedoch ohne Erfolg. Der BGH stütze die Entscheidung der Vorinstanz. Nach Auffassung der Richter kann die Verarbeitung und Verpackung des Schinkens außerhalb des Schwarzwaldes durchgeführt werden, solange es den Schutz der Qualität und die Herkunftsgarantie bzw. deren Kontrolle nicht beeinträchtigt. Bei der Bewertung der Qualität ist relevant, ob die Beschränkung auf die Herkunftsregion notwendig und unter produktspezifischen Gesichtspunkten gerechtfertigt ist. Nur wenn die Umsetzung der Vorgaben gefährdet ist, soweit sie nicht in der Region erfolgt, muss auf die Durchführung innerhalb der geographischen Region bestanden werden.

Schneiden und Verpackung außerhalb des Schwarzwaldes?  

Der BGH vertrat die Auffassung, dass die spezielle Missbrauchsaufsicht, die für die Erlangung der geschützten geographischen Angabe „Schwarzwälder Schinken“ notwendig ist, keine produktspezifische Expertise benötigt.Zur Rechtfertigung seiner Entscheidung verwies der BGH auf vorangegangene EuGH-Entscheidungen zu dem Thema. In den Fällen “Prosciutto di Parma” und “Grana Padano” (Urteile vom 20.05.2003, Az. C-108/01, C-469/00) wurden Verarbeitung und Verpackung zwar nur innerhalb der Region erlaubt. Nach Auffassung des BGH sind abweichende Regeln für den vorliegenden Fall gleichwohl angezeigt, da anders als in den vorangegangenen Fällen die Sicherstellung der Authentizität, Qualität, Hygiene und des Labelling auch außerhalb der Herkunftsregion sichergestellt werden kann.

BASISC – Geschützte geographische Angabe (g.g.A.)

  • Geschützte geographische Angaben (g.g.A.) identifizieren ein landwirtschaftliches Produkt, dessen Qualität, Ruf oder andere Charakteristika mit seinem geographischen Ursprung verbunden sind.
  • Die geschützte geographische Angabe zählt zu den geographischen Herkunftsangaben. Neben geschützten geographischen Angaben (g.g.A.) gibt es geschützte Ursprungsbezeichnungen (g.U.) sowie garantierte traditionelle Spezialitäten (g.t.S.).
  • Um sich auf eine geschützte geographische Angabe stützen zu können, muss das Produkt traditionellen Ursprungs sein und zumindest teilweise in der jeweiligen Region hergestellt werden.
  • Die Vorgaben für die Erlangung der geschützten geographischen Angabe ergibt sich aus den sogenannten Spezifikationen der jeweiligen g.g.A. und unterliegen strengen Kontrollmechanismen.
  • Zu den in der EU geschützten geographischen Angaben zählen Tiroler Bergkäse, Lübecker Marzipan, Dresdner Christstollen, Spreewälder Gurken, Edam Holland.
  • In der EU kann der Status durch die entsprechende Anmeldung einer Registrierung erlangt werden.  
  • Produkte, welche die Vorgaben einer g.g.A. erfüllen, können das folgende Label tragen: